Nach einem sehr inspirierenden Vortrag auf dem Usability Kongress in Frankfurt im letzten Jahr, hat mich das Thema „Gestaltung intuitiver Benutzung mit Hilfe von Image Schemata“ nicht los gelassen. Ich suche immer wieder nach Ansatzpunkten, die vorgestellten Überlegungen in meine praktische Arbeit einfließen zu lassen. Leider ist es nicht so leicht, sich vom gewohnten Vorgehen zu trennen und deshalb freue ich mich sehr, dass sich die damalige Referentin Diana Löffler bereit erklärt hat, mir ein paar Fragen zum Thema zu beantworten.
Doch vorab eine kurze Erklärung …
Image Schemata sind definiert als „grundlegende Bausteine wiederkehrender basaler (grundlegender) Erfahrungen, die vom Gehirn unbewusst verarbeitet werden.“ (Johnson, 1987)
So verstehen wir genau, was es bedeutet, wenn jemand sagt, dass er die Temperatur einer Heizung hoch oder runter drehen möchte. Hoch bedeutet, es wird wärmer und runter, dass es kälter wird. Die Methode der Image Schemata abstrahiert und vereinfacht solche Erfahrungen und legt diesen grundsätzliche Muster zugrunde. Diese Muster werden in sogenannten Metaphern beschrieben. In dem genannten Beispiel ist es die Metapher UP-DOWN, welche beschreibt, dass hoch mit mehr und runter mit weniger in Verbindung gebracht wird. Weitere Beispiele sind „die Zinsen sinken“ oder „die Mieten steigen“.
Bei der Erarbeitung der Methode, der Image Schemata wurden die grundlegenden Metaphern, die wir immer wieder unbewusst nutzen, identifiziert, sodass diese bei der Entwicklung von User Interfaces zugrunde gelegt werden können.
Die Identifizierung der verschiedenen Metapher, die der Entwicklung des Produktes zugrunde gelegt werden können, erfolgt direkt aus der Alltagssprache des Benutzers, z.B. mit Hilfe von Interviews. Diese werden in einem zweiten Schritt transkribiert. Der somit entstandene Aufsatz bildet die Datenbasis für die Identifizierung von image-schematischen Metaphern, welche dann in einem dritten Schritt aus den einzelnen Aussagen der Benutzer mit Hilfe von eindeutigen Schlüsselwörtern ermittelt werden.
Beispiele:
Bei der Entwicklung der User-Interfaces bilden die ermittelten Metaphern die Grundlage für die Gestaltungslösung. Hierbei sollten v.a. die mit der häufigsten Nennung zugrunde gelegt werden. Dem Designer werden so abstrakte Gestaltungsmöglichkeiten aufgezeigt, die er dann mit Leben füllt.
… zum Interview
Frau Löffler, Sie beschäftigen sich schon seit einiger Zeit mit der Gestaltung intuitiver Benutzung mit Hilfe von Image Schemata. Wie sind Sie zu diesem Thema gekommen und was fasziniert Sie besonders daran?
Durch die Mitarbeit am vom BMBF (Bundesministerium für Forschung und Bildung) geförderten Projekt „IBIS – Gestaltung intuitiver Benutzbarkeit mit Image Schemata“ bin ich zum Thema gekommen. Bei diesem Ansatz hat mich besonders fasziniert, dass Designentscheidungen nicht willkürlich getroffen oder von bereits bestehenden Technologien kopiert werden, sondern von Vorwissen abgeleitet werden, welches sich der Mensch seit seiner Geburt durch tagtägliche Interaktion mit der Umwelt aneignet.
Diese Erkenntnis, dass unser Denken maßgeblich durch die Interaktion unseres Körpers mit der Umwelt geformt wird, wird als Embodied Cognition bezeichnet. Folglich beeinflusst nicht nur unser Denken unseren Körper, sondern unser Körper auch unser Denken – auch während der Mensch-Technik-Interaktion. Image Schemata und image-schematische Metaphern bilden dieses Vorwissen ab und durch deren Berücksichtigung im Design können Innovationen gefördert werden, die mit Konventionen auf der Ebene des Experten-Technologiewissens brechen, welche wir uns mühsam durch eine sinnlich stark eingeschränkte Interaktion mit abstrakter Software erworben haben. Stattdessen wird unsere reiche sensumotorische Lerngeschichte als Embodied Mind berücksichtigt.
Das Forschungsprojekt „IBIS – Gestaltung intuitiver Benutzung mit Image Schemata“ welches Sie mit begleitet haben, untersuchte die Integration der Methode in die Praxis. Welche wichtigen Erkenntnisse für die Praxis lassen sich aus den Ergebnissen ableiten?
Wie bei der Einführung jeder neuen Methode ist dies mit einem zeitlichen Mehraufwand verbunden, der sich aber durch die gesteigerte intuitive Benutzbarkeit der entwickelten Produkte rechtfertigen lässt. Der zeitliche Mehraufwand nimmt nach der ersten Anwendung der Methode stark ab.
Ein besonders ungewohnter Schritt ist die Analyse der Sprache der Benutzer und das wortwörtlich nehmen des Gesagten. Durch das im Projekt zusammengestellte Schulungsmaterial sind Entwickler oder Designer aber dazu in der Lage, sich das nötige Know-how selbst anzueignen und zufriedenstellende Ergebnisse zu erreichen. Detaillierte Ergebnisse zur Anwendung in der Praxis finden sich im Schlussbericht des Vorhabens.
Die Forschung zu Image Schemata und deren Anwendung in der Mensch-Maschine-Interaktion steckt noch in den Kinderschuhen und es wird noch viel Zeit und Arbeit nötig sein, den Ansatz in der Praxis zu etablieren. Da ich den Ansatz aber für sehr vielversprechend halte, setze ich mich für dessen Verbreitung ein.
Können Sie kurz erläutern, warum man nicht direkt bei der Entwicklung der Gestaltungslösung ansetzten kann?
Weil die (image-schematischen) Anforderungen bekannt sein müssen, um die Gestaltungslösungen danach auszurichten. Ohne die Sprache der Benutzer vorher analysiert zu haben, können keine der Arbeitsaufgabe entsprechenden Image Schemata und image-schematischen Metaphern identifiziert werden, die die Bausteine des mentalen Modells des Benutzers von der Arbeitsaufgabe bilden.
Es ist jedoch denkbar, dass für bestimmte Aufgaben image-schematische Metaphern dokumentiert werden, auf die dann in ähnlichen Projekten auch direkt in der Phase der Entwicklung der Gestaltungslösungen zurückgegriffen werden kann. Zudem können die gut dokumentierten Primärmetaphern auch ohne eine vorherige Sprachanalyse verwendet werden. Eine derartige Dokumentation stellt die ISCAT Datenbank dar.
Haben Sie Tipps für Praktiker, wie sie sich die Anwendung der Methode aneignen können, um möglichst schnell von Ihren wissenschaftlichen Erkenntnissen zu profitieren?
Wir bieten immer wieder Vorträge zum Thema Image Schemata im Design an und im Internet liegt ein umfangreiches Handbuch zur Methode unter www.ibis-projekt.de bereit. Generell kann ich nur dazu anregen, die Methode einmal auszuprobieren und sich beim Designen mehr darauf zu besinnen, welche Rolle der Körper und die sensumotorische Lerngeschichte spielt, als stetig mitunter suboptimale Technologiekonventionen zu kopieren.
Sie organisieren ein Tutorial auf der Mensch & Computer Konferenz 2014? Wo liegt der Schwerpunkt der Veranstaltung?
In dem halbtätigen Tutorial werden alle Kernschritte der Methode von den Teilnehmern selbstständig durchgeführt, d.h. es werden sowohl Interviewaussagen auf Image Schemata hin untersucht, als auch image-schematische Metaphern gebildet und diese im Design eingesetzt. Meine Kollegen bringen unterschiedlichste Beispiele aus den Bereichen Software, Hardware und mobile Geräte mit. Damit können alle Schritte der Methode von den Teilnehmern ausprobiert werden.
Interview mit Diana Löffler
Wissenschaftlicher Mitarbeiterin und Dozentin am Lehrstuhl für Psychologische Ergonomie am Institut für Mensch-Computer-Medien der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.