Um die Erfahrungen die wir mit dem Rapid Contextual Design Prozess gemacht haben, mit euch zu teilen, haben wir (Anja und Josef) uns kurzerhand entschieden ein kleines Interview durchzuführen und in diesem Artikel zusammenzufassen.
Wir beide haben uns mit der Durchführung der Interviews mit den Nutzern, ihren Gewohnheiten und Anforderungen bereits auseinandergesetzt und diese in einzelnen Interpretation-Sessions gesammelt und in sogenannten Affinitynotes katalogisiert. Josef hat dann für die Rolle des Moderators die Affinity-Diagramming und Visioning-Sessions vorbereitet und durchgeführt und Anja hat als Teil des Teams an diesen teilgenommen.
Kannst Du kurz erläutern, was bei der Vorbereitung besonders wichtig war? Wie aufwendig schätzt du die nötigen Vorbereitungen ein?
Josef: Die Vorbereitung ist sehr aufwendig, insbesondere wenn man den Prozess erst zum zweiten Mal durchführt, so wie ich. Das Wichtigste ist, sehr genaue Briefings zu erstellen, die vor jedem Teamprozessschritt stattfinden müssen. Jeder Prozessschritt erfordert ein bestimmtes Mindset, auf das man das Team einstellen muss. Oft folgen in einer Session auch mehrere Schritte aufeinander. Das heißt, man sollte das gesamte Briefing auch im Kopf haben.
Was war für Dich besonders herausfordernd?
Ein besondere Herausforderung war es in längeren Sessions, wie z.B. dem Affinitiy-Diagramming oder dem Visioning die Konzentration und die Stimmung des Teams positiv zu erhalten und zu motivieren. Aber auch die geforderte Kultur des kreativ-Seins – im Sinne vom lockeren Umgang mit Ungenauigkeiten oder Fehlern muss immer wieder beschworen werden, damit der Prozess nicht ins Stocken gerät.
Welche positiven Erfahrungen hast du bei der Durchführung gemacht?
Am Besten fand ich, dass man durchwegs im Team zusammengearbeitet hat. Das hat den gesamten Prozess sehr lebendig und aufregend gemacht. Das Team hat mitgefiebert, was als nächstes kommt und was das Ergebnis sein wird. Super war auch zu sehen, dass der gesamte Prozess eigentlich “idiotensicher” ist. Man kann kaum etwas falsch machen, da Ungenauigkeiten in einem nachfolgenden Prozessschritt ausgebügelt wurden. So hängt man nicht permanent an Details fest.
Und man bekommt einfach ein Gefühl dafür, was wirklich wichtig ist für den Nutzer. Dadurch, dass bei dem Vorgehen permanent umstrukturiert, bewertet und selektiert wird, kristallisieren sich automatisch die Kernthemen heraus, ohne dass dafür eine formale, kriterien-basierte Auswertung nötig wäre. Das spontane Bauchgefühl jedes einzelnen spielt dabei eine große Rolle. Durch das Mitwirken vieler erreichen die Ergebnisse trotzdem eine gewisse Objektivität.
Da die Prozessschritte immer wieder von anderen Teilnehmern durchgeführt werden können, lässt die der Prozess leicht in den Alltag einer Agentur einbauen. Zusätzlich können wir in fast jedem Prozessschritt Kunden und/oder andere Disziplinen hinzuziehen, die später an der Produktentwicklung beteiligt sind. Das verbreitert nicht nur das Lösungsspektrum, sondern schafft auch eine hohe Aufmerksamkeit für das Thema User Experience auf allen Ebenen und rückt den User und seine Anforderungen noch mehr in den Mittelpunkt.
Wo siehst Du den besonderen Vorteil der Methode?
Durch das Strukturieren und stufenweise Abstrahieren der Einzelaussagen der verschiedenen Benutzer im Affinity-Diagramming entsteht ein klares Bild davon, wo im Kern die großen Probleme liegen. Auf dieser Basis lassen sich wirklich neue, übergreifende Lösungsansätze zu entwickeln.
Ja, und das bedeutet, dass hier nicht einfach eine Ansammlung von Features generiert wird, sondern ein vermarktbares Produkt entsteht. Aspekte wie Marketing-Strategie und Integration des Produktes in die Lebenswelt der Nutzer werden immer gleich mitgedacht.
Gibt es auch Nachteile?
Der Prozess ist zwar in seinem Umfang anpassbar, indem einzelne Schritte weggelassen werden können. Jedoch bleibt er auch in seiner Minimal-Konfiguration recht aufwendig. Um zu einem Ergebnis zu kommen, muss er bis zum Ende durchgeführt werden, Teilschritte dienen oft dem besseren Verständnis, es lassen sich aber keine Lösungen daraus ableiten.
Aber, um die Anforderungen an ein Produkt aus Nutzersicht kennenzulernen und zu verstehen, kommt man mit den Interviews und den Affinity-Diagrammen schon sehr weit.
Für welche Projekte/Themen würdest du den Prozess in Zukunft einsetzen?
Die Methode eignet sich meiner Meinung nach für Aufgabenstellungen, wo echte Innovation erwartet wird (im Gegensatz zu evolutionären Verbesserungen) und wo die Arbeitspraktiken der Nutzer noch nicht klar greifbar sind. Das heißt z.B. Consumer-Szenarien, wie in unserem Fall “Leben im Smart Home”, sind gerade zu prädestiniert, denn das Ergebnis des Rapid Contextual Design Prozesses sind lebensnahe Use Cases, die ohne eine neue Produktidee gar nicht denkbar waren.