Bastian Burtscheidt

22.7.2021

Wie durchschaubar muss ein VOD-Anbieter sein? - Ein quantitativer Vergleich der User Experience von Netflix, Amazon Prime Video und Disney+

Wenn du bereits einen unserer anderen Artikel zum Vergleich von Netflix, Amazon Prime Video und Disney+ gelesen hast, überspring gerne die folgende Einleitung und lese direkt beim Abschnitt “Durchschaubarkeit” weiter.

Die drei etablierten Video-on-Demand (VoD) Anbieter Netflix, Amazon Prime Video und Disney+ versprechen im Grunde alle das Gleiche: Schaue zu jeder Zeit, was dir am besten gefällt. Und doch ist die Umsetzung in den Details und damit der Erfolg der Anbieter unterschiedlich. Derzeit liegt Netflix mit ca. 208 Millionen Abonnent:innen weltweit an der Spitze, gefolgt von Amazon Prime Video mit starkem Wachstum in 2020 und inzwischen etwa 150 Millionen Abonnent:innen. Noch relativ neu am Markt zählt der Anbieter Disney+ weltweit 100 Millionen Abonnent:innen (Stand 24.06.2021).

Sagen die Zahlen der Abonnent:innen etwas über die User Experience mit dem Produkt aus? Wieso gefällt uns Netflix besser als Amazon Prime Video oder andersherum? Liegt das ausschließlich an den angebotenen Inhalten? Gibt es konkrete Dinge oder ist es einfach das große Ganze, das bei einem Anbieter mehr überzeugt als beim anderen? In einer kleinen Studie haben wir untersucht, wie Nutzer:innen die UX von Netflix, Amazon Prime Video und Disney+ bewerten.

Um die UX quantitativ zu messen, haben wir den Fragebogen User Experience Questionnaire + (UEQ+) verwendet. Der UEQ+ ist die modulare Variante des UEQ Fragebogens und ermöglicht es aus mehreren Bewertungsskalen zu wählen. So kann die Umfrage besser an das jeweilige Produkt angepasst werden. Zu jeder Skala gibt es gegensätzliche Wortpaare, die das Nutzungserlebnis beschreiben (Bsp.: Kompliziert - Einfach).

Die Proband:innen wurden ausschließlich zu ihrem Erlebnis mit einem der drei Anbieter in Bezug auf die TV-Nutzung befragt. Somit spiegeln die Ergebnisse nur diese wider, Mobile- und PC-Nutzung sind nicht enthalten. Folgende fünf Skalen haben wir von über 60 Proband:innen bewerten lassen, je 20 Proband:innen pro Anbieter:

Die ausgewählten Skalen des UEQ+ für den quantitativen Vergleich der User Experience von Netflix, Amazon Prime Video und Disney+

Der Bereich der Skalen liegt zwischen -3 (furchtbar schlecht) und +3 (extrem gut). Aufgrund der Berechnung von Mittelwerten über verschiedene Testpersonen mit unterschiedlichen Meinungen ist es äußerst unwahrscheinlich, Werte über +2 oder unter -2 zu beobachten.

In diesem Artikel beschreibe ich die Auswertung der Skala Durchschaubarkeit. Am besten abgeschnitten hat der Anbieter Amazon Prime Video. Wieso das so ist kannst du hier erfahren.

Durchschaubarkeit

“Subjektiver Eindruck der Nutzer:innen, dass es leicht ist, sich mit dem Produkt vertraut zu machen.”

––––––

Im Bereich Durchschaubarkeit schneidet Amazon Prime Video mit einem Mittelwert von 2,15 am besten ab. Dicht darauf folgt Netflix (2,12). Disney+ (1,40) ist hinter den beiden anderen Anbietern etwas abgeschlagen.

VOD-Dienste sind mittlerweile weit verbreitet und Teil einer digitalen Lebenskultur. Einige Anbieter sind bereits länger auf dem Markt und dadurch etablierter. Dennoch gibt es Nutzer:innen, die sich erst vor Kurzem bei einem VOD-Dienst angemeldet haben. Diese müssen sich zunächst mit dem Produkt vertraut machen und sich darin zurechtfinden.

Da Nutzungserlebnisse immer subjektiv beeinflusst sind, ist auch die Durchschaubarkeit ein subjektiver Eindruck, welcher aber anhand von vier Adjektivpaaren beschrieben und gemessen werden kann:

Unverständlich - Verständlich

Schwer zu lernen - Leicht zu lernen

Kompliziert - Einfach

Verwirrend - Übersichtlich

Die Ergebnisse des Tests bieten viel Interpretationsspielraum. Es lassen sich jedoch ein paar (Bedien-)Elemente identifizieren, die eideutig einer besseren Durchschaubarkeit dienen. Sowohl Netflix als auch Disney+ verwenden in ihrer Smart TV App eine fixe vertikale Hauptnavigation. Selbst wenn  Nutzer:innen tief in die Inhaltsstruktur navigieren, bleibt immer erkennbar, auf welcher Ebene der Navigation sie sich befinden. Bei Amazon Prime Video, das eine horizontale Hauptnavigation verwendet, die beim Scrollen verschwindet, könnte die Orientierung wesentlich schwerer fallen.

Wie im Blogartikel Visuelle Ästhetik erwähnt, ist ein  harmonisches Zusammenspiel der Designelemente wichtig. Darunter zählt die Bildsprache, die Typografie, Animation und Sound. In diesem Punkt hält es Amazon Prime Video schlicht und einfach, was der Durchschaubarkeit dient. Film- und Serientitel sind in einer Standardschrift geschrieben, statt im Branding des Inhalts. Auch die Detailseiten wirken durch eine eher starre Gestaltung aufgeräumter und leichter zu erfassen, d.h. übersichtlicher und weniger verwirrend.

Eine gute Personalisierung macht einen VOD-Dienst subjektiv gesehen natürlich auch durchschaubarer. Wenn Nutzer:innen die Film- und Serieninhalte dort findet, wo sie sie erwartet, ist das für sie verständlich und nachvollziehbar und erleichtert die Bedienung. Stundenlanges Stöbern in endlosen Listen wird überflüssig.‍

Unabhängig davon, ob es Nutzer:innen schwer oder leicht fällt sich mit einem VOD-Dienst vertraut zu machen, nutzt mittlerweile jeder zweite Haushalt einen der kostenpflichtigen Services, Tendenz steigend. Am Ende sind wohl eher die (teils exklusiven) Inhalte des jeweiligen VOD-Dienstes ausschlaggebend für das Abschließen eines Abos. Häufig bleibt es dann nicht nur bei einem Anbieter, sondern kommt zu einer Parallelnutzung von verschiedenen Diensten. Auch McKinsey stellt fest: “Aus Sicht der Anbieter sind die attraktivsten Kunden für Neuabschlüsse diejenigen Haushalte, die bereits über Streaming-Abos verfügen. So haben 27% der Befragten einen Streaming-Dienst abonniert, 16% zwei Dienste und knapp 10% drei oder mehr Dienste.”

Dieser Blogartikel ist ein Teil der Serie “Ein quantitativer Vergleich der User Experience von Netflix, Amazon Prime Video und Disney +”. Wenn dich interessiert wie die drei Anbieter bei den anderen vier Skalen abgeschnitten haben, verlinken wir hier die Artikel.

Wer ist am originellsten?

Ist die Steuerbarkeit ausschlaggebend?

Die Bedeutung von visueller Ästhetik für UX

Wer weckt am meisten Vertrauen?

Weiterführende Links und Quellen: 

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/196642/umfrage/abonnenten-von-netflix-quartalszahlen/ - zuletzt aufgerufen am 24.06.2021

https://t3n.de/news/amazon-hat-weltweit-150-millionen-1247966/ - zuletzt aufgerufen am 24.06.2021

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1186805/umfrage/abonnenten-von-disney-plus/ - zuletzt aufgerufen am 24.06.2021

https://www.mckinsey.de/news/presse/video-streaming-jeder-zweite-deutsche-haushalt-nutzt-netflix-amazon-prime - zuletzt aufgerufen am 05.07.2021


Bastian Burtscheidt

UX Designer

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