Dialogprinzipien in ihrer Anwendung: Die Expertenevaluation

Renate Schinköthe

11.2.2015

Nachdem Anja in ihrem letzten Beitrag die Dialogprinzipien erklärt hat, möchte ich nun darauf eingehen, wie wir diese in unsere tägliche Arbeit einbeziehen. Zum einen ist es eine Berufskrankheit, dass uns immer wieder bei den verschiedensten Programmen, mit denen wir Arbeiten, Verstöße gegen die Dialogprinzipien auffallen und diese uns auch aktiv behindern. Zum anderen gibt es die sogenannte Expertenevaluation als Methode, um Produkte – in unserem Fall interaktive Anwendungen wie Apps, Webseiten, etc. – auf ihre Gebrauchstauglichkeit zu überprüfen.

Ziel einer solchen Expertenevaluation ist es, potentielle Usability-Probleme der Anwendung aufzuzeigen. Um dies plausibel und objektiv durchführen zu können, benötigt es definierte Usability-Kriterien, anhand dessen das Produkt bewertet wird. Die Dialogprinzipien sind hier unser Maß der Dinge. Durch ihre eindeutige Definition kann man die Anwendung in jeglicher Hinsicht in ihrem Kontext bewerten.

Wann braucht man eine Expertenevaluation?

Die Durchführung einer Expertenevaluation bietet sich an, wenn:

  • bei einer Anwendung noch gar keine Usability Maßnahmen durchgeführt wurden
  • ein Prototyp vorhanden ist, der noch nicht interaktiv ist
  • Wireframes vorhanden sind und das Konzept überprüft werden soll

In allen Fällen ist es günstiger und schneller, wenn ein Usability-Experte auf den aktuellen Stand schaut und offensichtliche Mängel identifiziert. Benutzern in einem Usability-Test fällt es schwer, sich vorzustellen, wie eine Anwendung reagiert, wenn noch keine Interaktionen möglich sind. Des Weiteren werden die Nutzer dann nicht mit offensichtlichen Problemen belangt, die eventuell Frust aufbauen.

Welche Vorgehensweisen gibt es?

Eine Expertenevaluation sollte immer mit dem Vier-Augen-Prinzip durchgeführt werden, um die objektive Beurteilung zu gewährleisten. In Vorgehensweise und Umfang stehen sich dann verschiedene Möglichkeiten gegenüber:

Die Experten begutachten die Anwendung gemeinsam vs. Jeder Experte macht eine Einzelbeurteilung, die dann zusammengeführt wird

Es werden alle Funktionen des Produktes untersucht vs. Es werden gezielt die Hauptfunktionen unter die Lupe genommen

Es findet eine freie Exploration der Seite statt vs. Die Experten gehen anhand von vordefinierten Aufgaben vor, die denen der potentiellen Benutzer entsprechen

Egal, für welches Vorgehen man sich entscheidet, braucht es eine gute Grundlage für die Beurteilung. Wie bereits erwähnt, arbeiten wir nach ISO 9241-11 und nehmen die Dialogprinzipien zur Hand. Alternativen sind beispielsweise heuristische Analysen oder selbst definierte Usability-Checklisten.

Was ist das Ergebnis?

Als Ergebnis erhält man eine Auflistung aller potentiell kritischen Nutzungsszenarien auf Grundlage der definierten Usability-Kriterien:

Ansicht

Auf welcher Ansicht (Screen, Zustand) tritt das Problem auf.

Potentiell kritische Nutzungssituation

Beschreibung der Situation und wo das Problem liegt.

Verstoß Dialogprinzip

Nennung des Dialogprinzips, gegen das verstoßen wird

Optimierungsvorschlag

Durch welche konzeptionelle oder visuelle Anpassung kann das Problem behoben werden.

Die Optimierungsvorschläge werden dann soweit wie möglich in einer neuen Version des Tools integriert. Um jedoch die Usability der Anwendung gewährleisten zu können ist es wichtig, die Anwendung nach der Integration mit realen Benutzern im Rahmen eines Benutzungstests zu überprüfen.

Wieso reden wir von potentiell kritischen Nutzungsszenarien?

Generell darf bei einer Expertenevaluation nicht vergessen werden, dass sie durch einen Usability-Experten durchgeführt wird. Wir sind Experten im Bereich Usability und können kontext- und aufgabenunabhängige Verstöße gegen die Gebrauchstauglichkeit identifizieren. Nur bei wenigen, sehr allgemeinen Anwendungen können wir uns als Aufgabenexperten ansehen. Die meisten Anwendungen, die wir beurteilen, sind jedoch sehr spezifisch und erfordern ein bestimmtes Fachwissen. In diesen Fällen sind wir nicht in der Lage, uns in den einzelnen Benutzer mit seinen Erfahrungen, Eigenschaften und speziellem Wissen hineinzuversetzen. Deshalb verfassen wir potentiell kritische Nutzungsszenarien, da wir nicht sicher sagen können, dass es sich wirklich um eine Problemsituation handeln wird.

Da dies nun alles sehr theoretisch war, wird euch Maxi im nächsten Beitrag ein praktisches Beispiel vorstellen. Hierfür haben wir ein Tool gewählt, dass wir täglich nutzen. In diesem Fall sind wir nicht nur Usability-Experten sondern auch Aufgabenexperten: Axure.

Renate Schinköthe

UX Designer

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