Der Begriff „Kreativität” stammt vom lateinischen Wort “creare” ab, was soviel bedeutet wie „schaffen”, „erzeugen”. Eine intuitiv und oft verwendete Definition ist, dass kreative Ideen sowohl neu als auch nützlich sind, da sie für ein Problem eine passende Lösung aufzeigen. Im Interview mit Maximiliane Wagner, einer erfahrenden UI Konzeptionerin, die sich seit einiger Zeit mit dem Thema Methoden zur Erzeugung von Kreativität beschäftigt, stellen wir Methoden vor, die den kreativen Entwickungsprozess unterstützen. Da wir bei der coeno größtenteils im Bereich UI-Entwicklung und Design unterwegs sind, stehen Methoden, die hierfür nützlich sind, im Mittelpunkt.
Aber erst einmal grundsätzlich. Durch welche Faktoren kann Kreativität gefördert werden?
Kreative Leistungen sind häufig das Ergebnis gemeinsamer Arbeit in einer Gruppe. Besonders wichtig ist es daher, eine kreative, lockere Umgebung zu schaffen, in der sich alle Beteiligten wohlfühlen und gegenseitig unterstützen. Das erleichtert den Teilnehmern eingefahrene Denkbahnen zu verlassen und auch ungewöhnliche, verrückte Ideen zu äußern. Zusätzlich förderlich ist eine intrinsische Motivation, das heißt, dass die Teilnahme am kreativen Prozess an sich Spaß macht. Äußere Anreize wie Geld oder Druck beeinträchtigen die kreative Leistung eher.
Welche Wirkung haben Kreativmethoden auf den Entwicklungsprozess von Ideen?
Kreativmethoden helfen genau die eben beschriebene Atmosphäre zu schaffen, in der kreative Ideen eher zum Vorschein kommen. Das methodische Vorgehen verringert außerdem die Angst davor, keine Idee zu haben und hilft einfach mal anzufangen. Viele der Methoden basieren auf heuristischen Prinzipien wie Assoziieren, Abstrahieren, Analogien bilden, Kombinieren und Variieren. Sie helfen dadurch neue Lösungswege zu finden. Man kann sie also als Hilfsmittel betrachten, um divergentes Denken anzuregen und Denkblockaden abzubauen.
Eines muss jedoch klar sein: Kreativmethoden sind kein Patentrezept für kreative Ideen. Qualität und Quantität der Ergebnisse sind immer abhängig von der Aufgabe, dem Briefing, der angewandten Methode, der Atmosphäre, den Teilnehmern und deren Tagesform.
Gibt es bestimmte Methoden, die speziell für die Entwicklung von UI´s eingesetzt werden können?
Für die Entwicklung von UIs eignen sich besonders Methoden, bei denen die Teilnehmer bereits erste Skribbles und Wireframes zeichnen. Eine Methode, auf die das zutrifft, ist das Design Studio. Hierbei hat jeder Teilnehmer fünf Minuten Zeit, sieben Ideen zu skizzieren. Dabei geht Quantität vor Qualität, es müssen also noch keine Details ausgearbeitet werden. Ziel ist es durch den Zeitdruck die Schere aus dem Kopf zu bekommen und Ideen nicht vorschnell auszuschließen. Im Anschluss hat jeder Teilnehmer drei Minuten Zeit, seine Ideen zu präsentieren und bekommt danach Kritik und Anregungen durch die Teilnehmer. Im zweiten Iterations-Schritt werden je nach Teilnehmerzahl zwei bis drei Gruppen gebildet. Jede Gruppe arbeitet ihre Favoritenideen in zehn Minuten aus und präsentiert sie anschließend den anderen. In einer Feedbackrunde werden dann noch einmal Verbesserungsvorschläge gesammelt.
Eine ähnliche Methode ist das Collaborative Sketching. Dabei skizzieren die Teilnehmer ihre Ideen für das User Interface gleichzeitig auf einem großen Papierbogen. Jeder kann sich von den Ideen der anderen inspirieren lassen, Elemente übernehmen, aber auch fremde Skizzen ergänzen oder korrigieren. Wichtig ist, dass während dieser ersten Phase noch nicht über die Ideen gesprochen wird. Fällt niemandem mehr etwas ein, stellen die Teilnehmer sich die unterschiedlichen Ideen gegenseitig vor, diskutieren sie und entwickeln sie weiter. Die sinnvollsten und nützlichsten Lösungsansätze werden dann zusammengestellt, um im weiteren Projektverlauf ausgearbeitet zu werden.
Mit welcher Methode hast du bisher die besten Erfahrungen gemacht und warum?
Bei der coeno wenden wir sehr gerne die Methode des Collaborative Sketching an. Diese hat den Vorteil, dass „Ideenklau“ ausdrücklich erlaubt ist. So finden auch Teilnehmer in den Prozess, die zunächst glauben, keine Idee zu haben, indem sie zunächst einfach nur fremde Ideen übernehmen und weiterentwickeln. Eigene, neue Ideen kommen dann meist ganz automatisch. Außerdem schätze ich die Methode, weil Ideen direkt visualisiert werden und sich jeder Teilnehmer für sich austoben kann, ohne dass die Ideen direkt kritisiert oder zerredet werden. Dadurch, dass die Wireframes anderer direkt ergänzt und optimiert werden, entstehen bei dieser Methode auch häufig schon weit entwickelte Ansätze.
Eine andere Methode, mit der wir auch sehr gute Erfahrungen gemacht haben, ist die des Rapid Design Thinkings. Mehr dazu kann man hier nachlesen.
Sehr interessant, die vorgestellten Methoden eignen sich ja vor allem, um neue Produkte zu entwickeln. Gibt es auch welche die bei der Weiterentwicklung von Produkten und Ideen eingesetzt werden könnten?
Dafür gibt es zum einen Methoden, die mit Fragelisten arbeiten, wie die Osborne Checkliste oder die SCAMPER Methode. Diese Fragelisten dienen als eine Art Anleitung für eine systematische, fast erzwungene Abwandlung und Weiterentwicklung von Ideen. Dabei geht es um Fragen wie z.B. was man am Produkt ersetzen, weglassen, neu hinzufügen oder betonen könnte.
Eine andere Methode um Produkte oder Ideen weiterzuentwickeln ist die Stolperstein-Technik. Dabei nehmen zunächst alle Teilnehmer die Rolle eines schrecklichen Nörglers ein und versuchen sämtliche möglichen Probleme an einem Produkt aufzudecken und so viele Bedenken wie möglich zu äußern. Die Kritikpunkte werden mitgeschrieben. Anschließend wird gemeinsam versucht Lösungen für die Probleme und Bedenken zu finden. Die Methode eignet sich auch gut als Vorbereitung auf eine Präsentation beim Kunden, da man sich so auf mögliche Gegenargumente vorbereiten kann.
Häufig stellt sich ja auch die Frage, wie kann der Kunde in den Ideenentwicklungsprozess mit eingebunden werden. Gibt es besondere Ansätze, die sich in der Zusammenarbeit mit Kunden oder größeren Gruppen empfehlen?
Viele Methoden lassen sich sowohl in kleiner als auch in größeren Gruppen anwenden. Im Zweifelsfall lässt sich fast immer eine große Gruppe in kleinere unterteilen und man versucht dann am Ende, die Ideen in großer Gruppe zu konsolidieren.
Eine Methode, die sich ausdrücklich nur für größere Gruppen eignet, ist das World-Café. Um diese Anzuwenden muss ein kleines Team, das später die Moderatoren stellt, drei Fragen ausarbeiten. Im Workshop selbst sitzen die Teilnehmer verteilt an Tischen mit drei bis fünf Personen. An jedem Tisch sitzt ein Moderator, der die erste Frage vorstellt. Diese wird 15-30 Minuten diskutiert, wobei alle Erkenntnisse auf einer Papiertischdecke in Wort oder Bild festgehalten werden. Anschließend wandern die Gruppen einen Tisch weiter. Die Moderatoren verbleiben jedoch an den Tischen und stellen der neu ankommenden Gruppe die bisherigen Ergebnisse vor. Die Gruppe ergänzt basierend darauf eigene Aspekte. Dann startet die nächste Runde indem die Moderatoren die nächste Frage vorstellen. Es gibt insgesamt drei Bearbeitungsrunden bevor die Ergebnisse mit allen besprochen werden.
Gibt es Probleme bei der Zusammenarbeit mit Kunden auf die man achten sollte?
Ein Problem bei der Anwendung von Kreativmethoden mit Kunden zusammen ist immer, dass man nur schwer einschätzen kann, wie gut der Kunde sich darauf einlassen kann und wie sehr er sich einbringen wird. Besonders schwierig ist das bei Methoden bei denen gezeichnet werden soll, da viele Menschen Hemmungen haben, einfach drauflos zu scribbeln, wenn sie damit keine Erfahrung haben. Daher eignen sich für Meeting mit Kunden immer Methoden, bei denen in Gruppen gearbeitet wird. Dann kann man dem Kunden im Zweifelsfall unterstützend zur Seite stehen und seine Ideen aufzeichnen, falls er nicht selbst zum Stift greifen will.
Wie können die entwickelten Ideen dann bewerten werden?
Es gibt sehr viele verschiedene Methoden, mit denen Ideen bewertet werden können. Eine ganz einfache ist die Dotmocracy Methode. Dabei erhält jeder Teilnehmer eine festgelegte Anzahl an Klebepunkten. Diese darf er nun an den Ideen anbringen, die er für besonders gut hält. Die Ideen mit den meisten Klebepunkten sind dann die Highlight-Idee. Die Regeln, wie viele Punkte jeder erhält und sie kumuliert vergeben werden dürfen, kann je nach Anlass verliert werden.
Hast du zum Schluss noch ein paar Tipps was man bei der Vorbereitung von Kreativ-Meetings beachten sollte?
Oft wird das vergessen, aber besonders wichtig ist, dass gute Ideen nur dann entstehen können, wenn die Teilnehmer über ausreichendes Wissen zum Thema verfügen. Eine gute Recherche, z.B. um die Anforderungen der Nutzer herauszufinden, die Marktsituation kennen zu lernen usw., sollte dem Kreativmeeting immer vorausgehen. Und natürlich müssen alle Teilnehmer über die Erkenntnis daraus ausführlich informiert werden.
Auch wichtig für kreative Meetings ist, dass sowohl die Fragestellung als auch die Zielsetzung klar sind. Sonst verliert man im kreativen Prozess schon mal den eigentlich Fokus aus den Augen.
Ein weiterer Tipp ist den Raum für das Meeting vorzubereiten. Also Stifte, Papier und weiteres benötigtes Material vorab bereitstellen, aber auch Getränke und kleine Snacks. Wenn die Teilnehmer zwischendurch etwas knabbern können, hebt das immer die Laune.
Und zu guter Letzt sollte man sich immer bewusst machen: Eine Idee muss nicht neu sein, wichtig ist nur, dass die Idee das vorhandene Problem bestmöglich löst.
Vielen lieben Dank
Das Interview wurde von Anja Stork, UX-Consultant, durchgeführt.